Stewart O´Nan, Das Glück der anderen

 

Ein weiteres Buch zu einer Epidemie, dieses Mal mit Diphterie. In der amerikanischen Kleinstadt Friendship, Wisconsin spielt die Handlung. "Hochsommer, in Friendship ist alles still. Die Männer bestellen die flimmernden Felder." So lauten die ersten beiden Sätze dieses relativ kurzen, aber sehr bedrängenden Romans. Im Mittelpunkt steht der Veteran des amerikanischen Bürgerkrieges Jacob Hansen. Er ist eine wichtige Person in Friendship, denn er arbeitet zugleich als Sheriff, Leichenbestatter und Pastor. Es beginnt mit der Leiche eines toten Soldaten, der als Landstreicher an der Straße gefunden wird. Vermutet Hansen zunächst ein Verbrechen, stellt sich heraus, dass er einer hochinfektiösen Krankheit erlegen ist - der Diphterie. Nach und nach infizieren sich die Menschen in dem kleinen Ort. Hansen, der seine drei Berufe als Berufung lebt, gerät in eine schier unlösbare Konfliktsituation durch die verschiedenen Rollen, die er in einer Person vereint. Zusätzlich zu der fatalen Epidemie besteht eine wachsende Gefahr durch eine Feuersbrunst, die sich unweigerlichi auf Friendship zubewegt. Verfremdet wird die Perspektive auf die Hauptfigur Jacob Hansen dadurch, dass er als Erzähler von sich selbst durchgehend in der zweiten Person spricht. So wirken die Entscheidungen und die Handlungen Hansens noch erschütternder.

Stewart O´Nan ist ein Meister darin, den inneren Horror von Menschen in Extremsituation subtil zu beschreiben. Es ist kein Buch mit Happy End, aber eines, das tiefgehende Fragen stellt - nach der persönlichen Verantwortung, nach Gut und Böse, nach Glauben und dem Umgang mit ausweglosen Situationen. "Ein Mensch, der verloren ist, will bloß noch nach Hause".

 

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