Hörbeispiele von Psalmmelodien aus dem Genfer Psalter

Die Besonderheit des reformierten Gesangbuches bildet die Sammlung der Psalmen, die in einer speziellen Form vertont und bereimt worden sind. Alle 150 Psalmen sind bis heute im Gesangbuch vertreten und können im Gottesdienst gesungen werden.

Diese besondere Form von geistlichen Liedern wurde auf Initiative des Genfer Reformators Johannes Calvin von verschiedenen Dichtern und Musikern der Reformationszeit geschaffen. Die erste vollständige Ausgabe mit allen 150 Psalmen wurde 1562 veröffentlicht. Der Grundgedanke lag darin, ausschließlich biblisch fundierte Gesänge für den Gottesdienst und für die persönliche Andacht zu schaffen. Die Bereimung der Texte orientiert sich streng an der biblischen Vorlage. Es gibt z. B. keine christologische Umdeutung der Psalmen in den Bereimungen. Die Melodien sind nach einheitlichen und sehr einfach gehaltenen Kompositionsprinzipien geschaffen worden, um den Gemeindegesang zu befördern. Als Nebeneffekt lassen sich die Melodien sehr gut mit Psalmenbereimungen unterschiedlichster Sprachen verbinden.

Die Genfer Psalmen sind bis heute die international verbindende musikalische Sprache unter den Reformierten auf der ganzen Welt. Man singt sie in Deutschland oder in der Schweiz genauso wie in den USA, in Südkorea, in Südafrika oder anderswo.

Einige Genfer Melodien haben es auch in der Ökumene zu einer weiten Verbreitung gebracht. Sie finden sich in lutherischen wie in katholischen Gesangbüchern.

Psalm 5

Hier können Sie ein Beispiel einer Genfer Psalmmelodie anhand von Psalm 5 hören.

Es handelt sich um eine französische Bearbeitung für Gesang und Laute aus der Zeit der Renaissance von Adrian Le Roy von 1552. Die Interpreten sind Rika Tjakea, Alt und Martin Hinrichs, Renaissancelaute.

Der Text der deutschen Bereimung, wie sie heute im Gesangbuch steht:


1. HERR, du wirst merken auf mein Flehen.
Am Morgen schau ich aus nach dir.
Mein Gott, als Tröster zeig dich mir.
Ich weiß doch: Wer dein Recht will schmähen,
kann nicht bestehen.

2. Ich will voll Dank dein Haus betreten,
dein Wort ermutigt mich dazu.
In deinem Tempel find ich Ruh,
um deinen Namen anzubeten,
den hoch erhöhten.

3. HERR, deinem Wort will ich mich fügen.
Mach eben vor mir deine Bahn
und zeig mir, wo ich gehen kann.
Der Feind will gern dein Recht verbiegen
und mich betrügen.

4. Laß büßen ihn nach deinem Willen,
sein böses Treiben bring zu Fall
und tilg den Frevel überall.
Den Sturm des Unrechts wirst du stillen,
dein Wort erfüllen.

5. Ich weiß, du wirst mit deinem Segen
ein Schild sein dem, der dir vertraut,
läßt jauchzen den, der auf dich baut,
kommst ihm auf allen seinen Wegen
gnädig entgegen.

Melodie: Straßburg-Genf 1542
Text: Walter Herrenbrück 1991

Psalm 25

Psalm 25 in der französischen Vertonung von Adrian Le Roy für Gesang und Laute. Die Interpreten sind Rika Tjakea, Alt und Martin Hinrichs, Renaissancelaute.

Die deutsche Bereimung aus dem Gesangbuch:

1. Meine Seele steigt auf Erden
sehnend, HERR, mein Gott, zu dir.
Laß mich nicht zuschanden werden,
dir vertrau ich, hilf du mir!
Du verläßt die Deinen nicht,
die zu dir die Zuflucht nehmen.
Doch wer Treu und Glauben bricht,
den wirst du gewiß beschämen.

2. Zeige, HERR, mir deine Wege,
mach mir deinen Pfad bekannt,
daß ich treulich folgen möge
jedem Winke deiner Hand.
Leit in deine Wahrheit mich,
führe mich auf rechte Pfade,
Gott, mein Heil, ich suche dich,
täglich harr ich deiner Gnade.

3. HERR, erbarm dich eines Armen,
der zu dir um Gnade schreit.
Dachtest du nicht mit Erbarmen
schon an mich von Ewigkeit?
Ach, gedenk nicht meiner Schuld,
auch nicht meiner Jugend Sünden.
Unter deiner Vaterhuld
laß mich, laß mich Gnade finden.

4. Gott ist gut und recht, er zeiget
Irrenden die rechte Bahn,
macht ihr Herz zu ihm geneiget,
nimmt sie mit Erbarmen an.
Den Demütgen gibt er Licht,
daß sie folgen seiner Gnade.
Die Sanftmütgen straucheln nicht,
denn er führt sie seine Pfade.

5. Lauter Wahrheit, lauter Güte
wird in Gottes Führung kund
dem gehorsamen Gemüte,
das sich hält an seinen Bund.
Groß ist meine Missetat,
drum vergib mir und erfülle,
was dein Mund versprochen hat,
HERR, um deines Namens willen.

6. Wo ist er, der Gott ergeben
ganz sich seinem Dienste weiht?
Gott zeigt ihm den Weg zum Leben,
führt ihn selbst zur Ewigkeit.
Meine Augen schauen stets
auf den HERRN, ich muß nicht fliehen,
er wird, steckt mein Fuß im Netz,
mich schon aus der Schlinge ziehen.

7. Wende dich zu mir in Gnaden,
ich bin einsam und bedrängt,
ganz mühselig und beladen,
ohne Aussicht eingeengt.
Meines Herzens Angst ist groß.
Stoß auf Stoß wird bald mich töten.
Mach mich aus den Banden los,
führe mich aus meinen Nöten.

8. HERR, behüte mich auf Erden,
ich bin hilflos, rette mich!
Laß mich nicht zuschanden werden,
ich vertrau allein auf dich.
Setz zur Schutzwehr meiner Seel
Einfalt und gerades Wesen.
HERR, wirst du nicht Israel
bald aus aller Not erlösen?

Melodie: 1543 / Genf 1551
Text: nach Matthias Jorissen 1793